Cultural Fit von Führungskräften

Cultural Fit von Führungskräften

Ob Führungskräfte erfolgreich sind, hängt nicht nur von ihren Fähigkeiten ab, sondern auch davon, wie sie in die Kultur eines Unternehmens passen. In der Personalpsychologie unterscheiden man zwischen zwei Arten von Passung: dem „Person-Job-Fit“ (Eignung der Person für die jeweiligen Aufgaben) und dem „Person-Organisation Fit“ (Passung der Person zur Unternehmenskultur).

Inhaltsverzeichnis

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Cultural Fit beschreibt die Passung zwischen der Unternehmenskultur und den Werten, Wünschen, Motiven und Erwartungen von Mitarbeitenden. Je höher diese Passung ist, desto höher ist die Arbeitsleistung und die Zufriedenheit des Mitarbeiters; die Wechselbereitschaft
des Mitarbeiters ist geringer und er (oder sie) ist besser in das Team integriert.

Definition: Was bedeutet Cultural Fit?

Was ist überhaupt Unternehmenskultur? Jeder, der in mehr als einem Unternehmen gearbeitet hat, hat erlebt, dass sich Unternehmen nicht nur in der Art der Produkte und der Organisation unterscheiden, sondern auch in der Arbeitsatmosphäre und der Art, wie Mitarbeiter miteinander umgehen.

Unter „Unternehmenskultur“ versteht man die Summe der ausgesprochenen und – in der Mehrzahl unausgesprochenenRegeln und Gewohnheiten, an denen sich alle Mitarbeiter orientieren. Das sind also die Wertvorstellungen, die Dinge, die man als Mitarbeiter macht oder nicht macht, die Art der Kommunikation und des Umgangs miteinander.

Man kann davon ausgehen, dass die impliziten Regeln einen größeren Einfluss auf die Unternehmenskultur haben als die expliziten. Häufig stehen beide sogar im Widerspruch. So haben viele Unternehmen auf ihrer Homepage Aussagen wie, „Wir fördern Frauen in besonderer Weise und sind bestrebt, den Frauenanteil im Management zu erhöhen.”
In der Realität werden dann aber doch häufig gleich qualifizierte männliche Mitarbeiter befördert (mit Argumenten wie, „bei der Bewerberin weiß man ja nicht, ob sie bald schwanger wird und dann ausfällt“).

Offizielle und tatsächliche Unternehmenskultur

Was ist die „Identität eines Unternehmens"?

Unternehmen haben – wie Menschen – Persönlichkeiten. Die Identität eines Unternehmens ist das, was ein Unternehmen in der Wahrnehmung anderer einzigartig macht. Unternehmens-Identität setzt sich aus verschiedenen Aspekten zusammen – der Historie, den expliziten Regeln, dem Verhalten der Mitarbeiter und Führungskräfte, aber auch der Kommunikation nach außen (Selbstdarstellung des Unternehmens) und der grafischen Gestaltung von Logos, Werbung und Unterlagen (Corporate Design).
Diese Unternehmensidentität zieht dann bestimmte Menschen an – ähnlich wie Stars auf Basis des Bildes, das sie in er Öffentlichkeit abgeben, bestimmte Menschen als „Fans” anzieht.
Damit gibt es bei vielen Unternehmen von vornherein einen gewissen Cultural Fit, da viele der Bewerber sich bewusst bei Unternehmen bewerben, die (auf Basis des öffentlichen Bildes des Unternehmens) für sie interessant sind.

Elemente der Unternehmensidentität

Was ist „Unternehmenskultur”?

Die Unternehmenskultur wiederum entsteht aus verschiedenen Komponenten – angefangen mit der Person des Unternehmensgründers und dem Land oder der Region, in der das Unternehmen sich befindet, aber auch der Mission und den Leitlinien (Code of Conduct, Führungsleitlinien, etc.) des Unternehmens.
All das prägt die Art und Weise, wie die Menschen innerhalb des Unternehmens sich verhalten, was man machen darf und was nicht.

Besondere Bedeutung für die Unternehmenskultur kommt dem Verhalten des Top-Managements, bzw. des Gründers/Eigentümers zu, denn dessen Verhalten wird von den Mitarbeitern besonders aufmerksam beobachtet und interpretiert. Hierzu zwei Beispiele:

Ein Mitarbeiter beschwert sich beim obersten Chef über die unzureichende Klimatisierung in der Produktion. Der Chef antwortet: „Ihr seid bei der Arbeit, nicht im Urlaub, stellt Euch nicht so an!". Bei den Mitarbeitern, die das mitbekommen bleibt damit hängen, „den Führungskräften ist es egal, wie es den Mitarbeitern geht".

Das Unternehmen hat sich neue Leitlinien gegeben, dass man in den nächsten 5 Jahren klimaneutral produzieren will. Die Mitarbeiter sehen, wie der Produktionsleiter morgens nicht wie sonst mit dem Fahrrad, sondern mit einem alten, qualmenden großen Auto auf den Firmenparkplatz fährt. Die Mitarbeiter denken, „das ganze Gerede von Umwelt ist nicht ernst gemeint, denen da oben ist das egal."

In den beiden Beispielen ist es egal, was die wirklichen Gründe für das Verhalten der Manager ist – wichtig ist, wie es von den Mitarbeitern wahrgenommen und interpretiert wird.

Warum Cultural Fit beim Recruiting von Führungskräften wichtig ist

Die Passung zwischen den Werten, Erwartungen und Bedürfnissen der Mitarbeiter und der Kultur des Unternehmens ist von hoher Bedeutsamkeit. In vielen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass der Cultural Fit zu besserer Bindung der Mitarbeiter und zu besserer Leistung führt. Wenn man den Cultural Fit von neu angestellten Mitarbeitern erfasst, so zeigt sich nach zwei Jahren ein erstaunliches Bild.
Verglichen werden hier nur die Extremgruppen, d.h. die 25% Mitarbeiter mit dem höchsten und die 25% mit dem niedrigsten Cultural Fit:

Auswirkung von Cultural Fit auf Mitarbeitern und Unternehmen

Wie man sieht, kündigen innerhalb der ersten zwei Jahre nach Einstellung fast 40% der Mitarbeitenden mit niedrigem Cultural Fit (versus 5% bei denen mit hohem Cultural Fit); die Leistung derjenigen mit hohem Cultural Fit ist besser, sie sind zufriedener und sind besser ins Team integriert.

Wie lässt sich der Cultural Fit bewerten?

Es gibt eine Reihe von Fragebögen, mit denen sich die Kultur von Unternehmen erfassen lässt; ebenfalls gibt es entsprechende Fragebögen für die Erwartungen von Mitarbeitern an das Unternehmen. Daraus lässt sich dann die Übereinstimmung zwischen der Unternehmenskultur und den Erwartungen eines Mitarbeiters erfassen.
Wichtig ist, dass diese Einschätzung auf beiden Seiten auf Selbsteinschätzungen basieren. In dem unten aufgeführten Beispiel ist es also nicht unbedingt so, dass das Unternehmen (schwarzes Profil) den Mitarbeitenden ein hohes Maß an Vertrauen entgegenbringt – das hohe Ausmaß an Vertrauen in der Kultur des Unternehmens ist das, wie das Unternehmen sich selbst sieht.

In dem obigen Beispiel sieht man, dass ein sehr guter Cultural Fit zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden besteht – dass sich also der Mitarbeiter in dem Unternehmen wohlfühlen wird und gute Leistung bringen wird.

Cultural Fit in der Bewerbung

Manche Unternehmen bieten Bewerbern schon im Bewerbungsprozess an, den Cultural Fit zum Unternehmen zu erfassen. Da heutzutage die meisten Bewerbungsprozesse online erfolgen, bietet die Messung des Cultural Fit eine gute Möglichkeit, potenziellen Bewerbern früh im Prozess zu vermitteln, dass das Unternehmen auf einen hohen Wert auf den Cultural Fit der Mitarbeitenden legt.

Unten ist ein Beispiel aus einem (Online-) Bewerbungsprozess zu sehen, den der Autor mitgestaltet hat. Konkret geht es hier um Pflegekräfte, die durch ein Online-Matching eine neue Aufgabe im Pflegebereich suchen:

Fragen zur gewünschten Unternehmenskultur

Hier signalisieren Bewerber mit einem Schieberegler, welche Kultur sie sich beim zukünftigen Arbeitgeber wünschen. Die Bewerber erhalten dann unmittelbar (online) eine Rückmeldung, wie der Match zwischen ihren Bedürfnissen und der Kultur des potenziellen Arbeitgebers ist.

Natürlich hat jeder Mensch unterschiedliche Erwartungen an den Arbeitgeber und jedes Unternehmen hat eine andere Kultur. Interessant ist es, innerhalb einer Branche zu untersuchen, inwieweit beides zusammenpasst. Unten ist eine Auswertung von einigen hundert Arbeitgebern (in diesem Fall Kliniken und Pflegeunternehmen) mit einigen tausend Arbeitnehmern (Pflegekräfte) ist. Die hellblaue Kurve ist die Häufigkeit der verschiedenen Ausprägungen der Unternehmenskultur bei den Arbeitgebern; die grüne Kurve ist die Kultur, die sich Arbeitssuchende wünschen:

Hier sieht man beispielsweise, wie viele Jobinteressenten sich ein recht geringes Ausmaß an Autonomie wünschen, sich also exakte Vorgaben und Regeln vom Arbeitgeber wünschen, während viele Unternehmen ein hohes Ausmaß an Autonomie von Mitarbeitenden erwarten.

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Cultural Fit bei der Auswahl von Führungskräften

In der Management-Diagnostik spielt der Cultural Fit eine große Rolle. Hier unterscheidet man zwischen „Eignung“ und „Passung”.

Eignung Passung
Ausbildung
Motivation
Erfahrung
Werte
Fähigkeiten
Lebensziele
Wissen
Persönliche Lebenssituation
Fertigkeiten
Arbeitsstil

Während die „Eignung” eher die „hard Skills“ wie Fähigkeiten, Wissen und Fertigkeiten umfasst, ist die „Passung” eines Kandidaten die Übereinstimmung von Motivation, persönlichen Zielen und Herangehensweisen zur Kultur der Organisation, bzw. der Situation der zukünftigen Position (also eher Soft Facts).

Bei Führungskräften, und insbesondere bei Kandidaten aus dem gehobenen und Top-Management ist die Eignungsseite nicht der kritische Faktor, die meisten dieser Personen sind überdurchschnittlich intelligent, haben eine eher extravertierte Persönlichkeit, sind gut ausgebildet, haben viel Erfahrung und verfügen über eine starke Leistungsmotivation.
Die Entscheidung darüber, ob ein Kandidat für eine bestimmte Position geeignet ist, hängt häufig viel stärker von den weichen Faktoren ab, also dem Cultural Fit. Deshalb erfassen wir in unseren Executive-Assessments, Management-Audits und Management-Appraisals nicht nur die Fähigkeiten (wie strategisches Denken, Team- und Führungsfähigkeit), sondern auch die Motivation und Werte eines Kandidaten.

Häufige Cultural Fit Fragen

Wie kann man den Cultural Fit erfassen?

Es gibt verschiedene Fragebögen und Einschätzungslisten, die die Kultur des Unternehmens erfassen. Hier ist ein einfacher Einschätzungsbogen, mit dessen Hilfe Unternehmen eine Selbsteinschätzung der Unternehmenskultur vornehmen können. Diesen Bogen kann das Management gemeinsam ausfüllen – und ihn dann im Vorstellungsgespräch verwenden, um Bewerbern die Kultur des Unternehmens zu beschreiben. Auch bei der Integration neuer Mitarbeitender kann ein solches „Unternehmenskultur-Profil“ hilfreich sein.

Selbsteinschätzung der Unternehmenskultur
Anerkennung & Wertschätzung
Gelobt wird nicht viel, gute Leistung wird als selbstverständlich erwartet.
vs.
Die Mitarbeitenden bekommen bei uns viel Anerkennung und Wertschätzung für ihre Arbeit.
Vertrauen und Kontrolle
Bei uns haben die Mitarbeitenden viele Freiräume, kontrolliert wird nur wenig.
vs.
Wir kontrollieren häufig, ob die Leistung ordentlich erbracht wird und alle Vorschriften eingehalten werden.
Kollegialität
Es gibt bei uns wenig Gelegenheiten zum Austausch zwischen den Mitarbeitenden.
vs.
Wir bieten den Mitarbeitenden Gelegenheiten zum regelmäßigen Austausch, damit sie ein Team sind.
Leistungsorientierung
In unserem Unternehmen herrscht ein starker Leistungsdruck, die Arbeitsbelastung ist hoch und Minderleistung wird nicht akzeptiert.
vs.
Der Leistungsdruck und die Arbeitsbelastung für die Mitarbeitenden ist moderat.
Abwechslung
Die Arbeit ist recht gleichförmig und für die Mitarbeitenden gibt es wenig Abwechslung und Kontakte zu Menschen.
vs.
Es gibt viel Abwechslung bei der Arbeit, der Mitarbeiter hat viel mit unterschiedlichen Menschen zu tun.
Wirtschaftliche Stabilität
Unser Unternehmen steht wirtschaftlich gut da und wir zahlen Gehälter, Zulagen und Spesen immer pünktlich. 
vs.
Gehälter, Zulagen und Spesen können leider nicht immer pünktlich gezahlt werden.
Weiterbildung
Wir geben den Mitarbeitern regelmäßig Gelegenheit zur Weiterbildung.
vs.
In unserem Unternehmen gibt es wenig Weiterbildungsmöglichkeiten.
Ethische Orientierung
Uns ist wichtig, Zusagen gegenüber Mitarbeitenden und Kunden 100%ig einzuhalten, immer ehrlich und verlässlich zu sein.
vs.
Unser Geschäft ist so dynamisch, dass wir häufig nicht alles ganz genau nehmen können.

Nachteile des Cultural Fits

Ein hoher Cultural Fit zwischen Mitarbeitenden und Unternehmenskultur hat für das Unternehmen eigentlich nur Vorteile: die Mitarbeitenden sind zufriedener, leisten mehr, bleiben länger im Unternehmen und die Stimmung im Team ist besser.
Das kann aber auch ein Nachteil sein: wenn man über alle Mitarbeitenden hinweg einen hohen Cultural Fit hat, heißt das auch, dass die Mitarbeitenden sich alle sehr ähnlich sind – und sich die Kultur des Unternehmens nicht verändert. Denn: häufig werden neue Mitarbeiter auf Basis von Ähnlichkeit und kultureller Passung eingestellt.
Unternehmen brauchen aber auch ein Stück „Unruhe”, das heißt, Menschen, die anders sind, die anecken und (konstruktive) Konflikte erzeugen, die der Organisation helfen, sich zu hinterfragen und sich weiterzuentwickeln.
Auch ist eine zu geringe Fluktuation genau so kritisch wie eine hohe – wenn es im Unternehmen keine Fluktuation gibt, kommt kein „frisches Blut”, keine neuen Ideen in die Organisation.

Folgen eines fehlenden Cultural Fits

Es gibt viele Unternehmen, denen der Cultural Fit der Mitarbeitenden egal ist, wichtiger sind dort die Qualifikationen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden. Das zugrundeliegende Führungsmodell ist das der „transaktionalen Führung” – die Arbeit im Unternehmen ist ein Tauschgeschäft, der Mitarbeiter gibt seine Arbeitsleistung und erhält dafür Geld.
Diese transaktionale Modell funktioniert – bedingt. Heute mehr als früher suchen Menschen in der Arbeit nicht nur die Möglichkeit zum Geldverdienen, sondern auch Sinnstiftung. Der Arbeitsplatz ist das zweite Zuhause, an dem man häufig mehr Zeit als in der eigenen Wohnung verbringt. Von daher erzeugt es Stress, wenn man sich lange Zeit in einem Umfeld bewegt, im dem das Betriebsklima schlecht ist, man keine Identifikation mit den Unternehmenswerten hat und die Vorstellungen davon, wie man miteinander umgeht, auseinanderklaffen.
In Folge sinkt die Mitarbeiterzufriedenheit, die Leistung lässt nach und man hat empfindet eine geringere Bindung an das Unternehmen.

Fazit

Es lohnt sich, im Umgang mit – zukünftigen und vorhandenen – Mitarbeitern auf den Cultural Fit zwischen der Unternehmenskultur und den Wünschen, Werten und Bedürfnissen der Mitarbeiter zu achten. Im Jobinterview sollten nicht nur die Fähigkeiten und Erfahrungen thematisiert werden, sondern auch die Erwartungen und Bedürfnisse der Kandidaten.
Auch bei den vorhandenen Mitarbeitenden ist der Cultural Fit wichtig; eine wichtiger Aspekt von Führung ist es, darauf zu achten, ob der Führungsstil, die Art der Kommunikation, die Ziele und Werte, die man als Vorgesetzter vertritt und lebt zu den Bedürfnissen der Mitarbeitenden passen.

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