Personalberater und Executive Assessments
Personalberater (auch Headhunter genannt) helfen Unternehmen, Führungspositionen zu besetzen. Die meisten Unternehmen arbeiten mit mehreren Headhuntern zusammen, die das Unternehmen kennen und in der Vergangenheit erfolgreich Positionen besetzt haben.
Inhaltsverzeichnis
Wie gehen Personalberater vor?
Anforderungsprofil
Zuerst erstellen Personalberater zusammen mit dem suchenden Unternehmen ein Anforderungsprofil: welche Aufgaben soll die Führungskraft erfüllen? Welche Erfahrungen soll er oder sie mitbringen? Mitunter hat das suchende Unternehmen sehr genau Vorstellungen, wen sie suchen. Mitunter sollen gezielt Führungskräfte von Mitbewerbern angesprochen werden, manchmal hat man sogar konkrete Personen im Auge, die auf die Position passen würden.
Searcher sondieren den Markt
Der Personalberater spricht dann diese Personen an, meistens nicht selbst, sondern durch einen sogenannten „Searcher“. Diese recherchieren, wo potenzielle Kandidaten und Kandiatinnen zu finden sind indem sie Datenbanken, soziale Netzwerke (LinkedIn) und Unternehmensnachrichten durchsuchen.
Mitunter wenden Searcher auch Tricks an, um an die Namen von potenziellen Kandidaten zu kommen. So geben sie sich z.B. als Studierende aus, die eine Hausarbeit zu einem bestimmten Thema schreiben und fragen in Unternehmen, wer denn Experte für dieses Thema ist.
Erste Kontaktaufnahme
Die Searcher rufen dann die Kandidaten an, die potenziell in Frage kommen. Meisten fallen sie dabei nicht mit der Tür ins Haus, sondern stellen als Mitarbeitende einer Personalberatung vor, die eine Position zu besetzen haben. Dabei wird zunächst nicht der Name des suchenden Unternehmens genannt, sondern die Aufgabe nur allgemein beschrieben. Dann wird der Angerufene gefragt, ob er (oder sie) jemanden kenne, der für diese Aufgabe in Frage käme. Dahinter steckt natürlich die Hoffnung, dass derjenige sagt, „das könnte doch etwas für mich sein!?“.
Zweiter Kontakt
Der Personalberater erhält so von den Searchern eine Liste mit Kandidaten die grundsätzlich gewisses Interesse haben. Mitunter wird diese Liste schon mit dem beauftragenden Unternehmen abgestimmt, bevor der Personalberater dann persönlich Kontakt zu den Kandidaten aufnimmt.
Dann findet ein Vorgespräch mit den Kandidatinnen und Kandidaten statt. Meist an neutralem Ort wie einem Flughafen, heute zumeist per Video. In dem Gespräch prüft der Personalberater dann, ob der Kandidat in das Anforderungsprofil des Unternehmens passt. Gleichzeitig versucht er, dem Kandidaten das Unternehmen schmackhaft zu machen, denn er muss nicht nur dem beauftragenden Unternehmen die Kandidaten „verkaufen“, sondern das Unternehmen auch den Kandidaten.
Die Short List
Auf Basis dieser Gespräch erstellt der Personalberater dann eine Liste mit geeigneten Kandidaten. In der Regel sind das drei bis sechs Kandidaten, die er dem suchenden Unternehmen vorstellt – zuerst auf Basis der Papierlage; zu jedem Kandidaten wird ein Dossier erstellt, in dem der Werdegang und die Fähigkeiten des Kandidaten dargestellt werden.
Die Bewerbungsgespräche
Mit diesen Kandidaten führt dann das Unternehmen Gespräche, um zu prüfen, ob „die Chemie“ stimmt. Wenn beide Seiten Interesse an einer Zusammenarbeit haben, fangen die Gespräche über die Vertragsbedingungen (vor allem die Bezahlung) an. Letztendlich erhält der Kandidat dann einen Arbeitsvertrag zu gesendet und im positiven Fall ist die Stelle nach Ablauf der Kündigungsfrist in dessen aktuellen Unternehmen besetzt.
Was verdient ein Personalberater
Personalberater werden meistens erfolgsabhängig bezahlt, d.h. sie erhalten nur dann das vereinbarte Honorar wenn ein Kandidat eingestellt wird. Sollte das Unternehmen sich innerhalb der Probezeit von dem Kandidaten wieder trennen, verpflichtet sich der Personalerater zur „Nachbesserung“, d.h. er geht wieder auf die Suche um die Stelle erneut zu besetzen. Dafür erhalten Personalberater ein vorher vereinbartes Erfolgshonorar – früher 3 bis 4 Monatsgehälter der zu besetzenden Stelle, heute häufig auch weniger, da die Unternehmen über das Honorar verhandeln.
Interessenkonflikt: Personalberater und Diagnostik
Natürlich betreiben Personalberater auch Diagnostik, denn in den Gesprächen, die sie mit den Kandidaten führen, wollen sie ja feststellen, ob der Kandidat geeignet ist für die zu besetzende Position. Mitunter setzen sie auch psychometrische Verfahren (Fragebögen und Tests) ein, um dem Unternehmen ein möglichst differenziertes Bild der Kandidaten zu geben.
Hier gibt es jedoch zu bedenken, dass Personalberater häufig nicht geschult sind in der Anwendung psychologischer Verfahren. Noch gravierender ist jedoch der Interessenkonflikt, dem Personalberater ausgesetzt sind: denn sie wollen, wie erwähnt, ja auf beiden Seiten etwas „verkaufen“: dem Unternehmen den Kandidaten und dem Kandidaten das Unternehmen. Denn: Geld bekommt der Personalberater nur dann, wenn der Kandidat vom Unternehmen eingestellt wird.
Natürlich wollen Personalberater dem Unternehmen keine Kandidaten vermitteln, von denen man sich nach kurzer Zeit wieder trennt. Aber zu genau hingucken wollen Personalberater (zumindest unbewusst) auch nicht. Oder, wie ein befreundeter Personalberater es mir gegenüber einmal formulierte: „Wenn ich eine Wohnung vermieten will, sage ich den Interessenten ja auch nicht, ‚gucken sie mal da oben genau hin, da ist ein feuchter Fleck‘“.
Das heißt, selbst wenn Personalberater Schwächen und Defizite bei Kandidaten erkennen, hoffen sie, dass diese sich nicht so gravierend auswirken, dass es zur Trennung kommt und sie nachbessern müssen.
Die Lösung: Trennung von Suche und Diagnostik
Für Unternehmen heißt das, möglichst die beiden Prozesse des Suchens und der Auswahl (Diagnostik) zu trennen und in verschiedene Hände zu legen. Personalberater sind Experten darin, geeignete Kandidaten zu identifizieren und anzusprechen. Management-Diagnostik Beratungen sind Experten darin, die Stärken, Entwicklungsfelder und Risiken bei Führungskräften zu identifizieren.
Manche Personalberatungen sträuben sich jedoch dagegen, dass die von ihnen identifizierten Kandidaten durch ein Assessment oder Management-Appraisal bei Management-Diagnostikern gehen soll. Zum einen bieten viele Personalberatungen selbst Assessments und Appraisals an (mit nicht durchgehend überzeugender Qualität) und möchten nicht auf den Zusatzumsatz verzichten – zum anderen würden in einem Assessment unter Umständen Risiken deutlich werden, die dazu führen, dass ein Kandidat kein Angebot erhält – und die Personalberater erneut auf die Suche gehen müssen.
Fazit
Personalberatungen liefern eine sinnvolle Dienstleistung für Unternehmen bei der Besetzung von Positionen im Management – sie identifizieren potenziell geeignete Kandidaten und stellen den Kontakt zum suchenden Unternehmen her.
Auch wenn viele Personalberatungen parallel zu ihrer Such-Tätigkeit auch diagnostische Dienstleistungen (Assessments, Management-Appraisals) anbieten, so ist diese Feld meist nicht deren Kernkompetenz.
Schwerwiegender wiegt jedoch der latente Interessenkonflikt, denen Personalberater ausgesetzt sind: sie erhalten nur dann das vollständige Honorar, wenn ein Kandidat eingestellt wird; deshalb haben sie im Assessment einen unbewussten oder bewussten Bias, weniger auf die Schwächen und Risiken zu schauen.