Self Assessment
Self Assessments sind weit verbreitet, sowohl online wie in Papier-und-Stift Form. Wie jedes diagnostische Instrument gibt es bei ihrem Einsatz einige methodische Rahmenbedingungen zu beachten sowie ihren Nutzen in verschiedenen diagnostischen Situationen (Auswahl vs. Entwicklung) zu bedenken.
Sie haben nicht viel Zeit zu lesen? Dann lesen Sie diese Zusammenfassung:
Self Assessments sind ein wichtiges Instrument in der Management Diagnostik. Durch sie wird ein Prozess der Selbstreflexion bei Kandidaten ausgelöst, der auf verschiedene Art und Weisen genutzt werden kann:
Zur Identifikation der eigenen Interessen und Neigungen
Zum Vergleich von Selbst- und Fremdeinschätzungen
Als Basis für ein Gespräch zwischen Assessor und Kandidat, z.B. als Teil des Interviews.
Im Zusammenhang mit Personalentwicklungsmaßnahmen (Development Center, Berufsorientierung) sind Self-Assessments ein wichtiges Instrument. In Auswahlsituationen (Bewerbung, Auswahl-Assessment) ist ihr Nutzen begrenzt, da sie dort stark von der Tendenz zur sozialen Erwünschtheit (Impression Management) beeinflusst werden.
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Definition: Was ist das Self Assessment?
Self Assessments sind Selbsteinschätzungen. Jeder Mensch hat eine Vorstellung davon, was ihn in seiner Einzigartigkeit auszeichnet, seine Fähigkeiten, Eigenschaften, seiner Stärken und Schwächen, sein Fehler und Eigenheiten. Diese Fähigkeit zur Selbsteinschätzung kann man diagnostisch nutzen, indem man Kandidaten bittet, sich selbst anhand vorgegebener Kriterien selbst einzuschätzen.
Persönlichkeitsfragebogen basieren ebenfalls auf Selbsteinschätzungen, diese werden jedoch in Testergebnisse umgerechnet, die das Ergebnis objektiver und vergleichbarer machen.
Grundlage und Schwächen von Self Assessments
Wenn man – insbesondere im Kontext von Management Diagnostik – Menschen um eine Selbsteinschätzung bittet, löst man im Kandidaten unterschiedliche Prozesse aus:
Nehmen wir das Beispiel der Selbsteinschätzung der Management-Fähigkeiten: wenn man gebeten wird, diese einzuschätzen, steht an erster Stelle die Frage, was eigentlich mit „Management-Fähigkeiten” gemeint ist. Hier liegt schon die erste Schwäche einer Selbsteinschätzung, dass Menschen unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was „Management-Fähigkeiten” genau sind.
Dann erfordert die Selbsteinschätzung einen Vergleich mit anderen Menschen. Wenn nun jemand das Pech hatte, bisher nur schlechte Manager kennenzulernen, wird er sich hier stärker einschätzen als jemand, der von sehr guten Vorbildern umgeben war.
Im nächsten Schritt ist dann die Frage, wie objektiv und realistisch man sich selbst einschätzen kann. Jeder Mensch hat eine gewisse Tendenz zur Selbsttäuschung („Self-Deception”), sieht sich also mehr oder minder positiver als es der Realität entspricht. So halten sich 74 % der deutschen Autofahrer für „überdurchschnittlich gute Autofahrer” – was statistisch unmöglich ist.
Letztendlich wird die Selbsteinschätzung dann noch von einem weiteren Aspekt überlagert. Eine Selbsteinschätzung signalisiert nicht nur, wie ich mich selbst sehe, sondern auch in gewissen Maß, wie ich möchte, dass andere mich sehen. Ich antizipiere also die Erwartungen der Beurteiler; man spricht hier von „Impression Management” oder „Deceiving Others”.
Self Assessment versus Persönlichkeitsfragebogen
In der Management Diagnostik werden häufig Persönlichkeitsfragebögen eingesetzt. Hier beantworten die Kandidaten eine Reihe von Fragen (etwa: „Um mich herum ist viel Unordnung”), deren Antworten (häufig auf Basis einer5-stufigen Antwortskala) dann nach einem statistisch aufwändigen Algorithmus mit den Antworten anderer Menschen verglichen und zu bestimmten Persönlichkeitsdimensionen verrechnet werden (Beispiele sind der BIP oder Big-Five Inventare).
Persönlichkeitsfragebögen basieren letztendlich auch auf Selbsteinschätzungen. Umso erstaunlicher ist es, dass die Ergebnisse von Persönlichkeitsfragebögen erstaunlich gut Verhaltenstendenzen und sogar Fremdeinschätzungen vorhersagen können – trotz der oben beschriebenen Antworttendenzen zur Selbsttäuschung zum Impression Management.
Das liegt auch daran, dass Persönlichkeitsfragebögen zumeist Mechanismen implementiert haben, mit denen man feststellen kann, wie ehrlich jemand die Fragen beantwortet hat.
Man kann sagen, dass ein Fragebogen eine systematisierte Form des Self Assessment ist, mit der auf der Basis von Selbsteinschätzungen Persönlichkeitseigenschaften berechnet werden.
Unterschied zwischen Self Assessment und Assessment Center
Im Assessment Center Verfahren spielen Self Assessments meist nur eine untergeordnete Rolle. Um die Kandidaten im Assessment Center einzuschätzen, setzt man auf Tests, Aufgaben und Übungen. Die Bewertung basiert überwiegend auf objektiven Leistungsdaten bzw. Beobachtungen von Verhalten und Leistungen der Kandidaten.
Für die Beurteilung der Eignung, also Diagnostik im Rahmen von Auswahlprozessen nutzt man deshalb bevorzugt diese „objektiven” Verfahren als subjektive Selbsteinschätzungen, weil in einer Auswahlsituation das Self Assessment stark der Tendenz zur positiven Selbstdarstellung unterliegt.
In Assessment Centern, in denen es nicht vorrangig um Auswahl (z. B. im Rahmen einer Bewerbung oder potenziellen Beförderung) geht, hat ein Self Assessment hingegen seine Berechtigung. Das Ziel eines Development Centers ist genau die Selbstreflexion und die individuelle Förderung, dort ist eine Selbsteinschätzung ein wichtiges Instrument zur Förderung der Selbst(er)kenntnis.
Die Selbsteinschätzung ist ein wichtiges Instrument zur Förderung der Selbst(er)kenntnis.
Wann sind Self Assessments sinnvoll?
Self Assessments sind vor allem dort sinnvoll, wo sie eine Hilfe zur Selbstreflexion darstellen und/oder dem Kandidaten zusätzliche Hilfen zur Selbsteinschätzung geben.
Realistische Selbsteinschätzung
Selbsterkenntnis ist nicht nur ein erklärtes Ziel vieler Religionen und Philosophen, sondern auch ein wichtiger Erfolgsfaktor im Beruf. Alle Menschen unterliegen in der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten, des Wissen und der Kompetenzen einer gewissen Verfälschung: manche neigen dazu, sich selbst und ihre Fähigkeiten zu überschätzen („Self Deception”), andere neigen dazu, sich an unangemessen hohen Standards zu messen („Self Criticism”). Im Extrem sind beide Tendenzen dysfunktional.
Ein realistischer Blick auf die eigenen Stärken, aber auch die kritische Sicht auf die Entwicklungsfelder und Schwächen hilft dabei, mutig neue Themen anzugehen (Selbstvertrauen), aber auch an sich zu arbeiten und sich verbessern zu wollen (Selbstkritik).
Untersuchungen zeigen, dass ein ausgewogenes Verhältnis aus den beiden Perspektiven (Selbstvertrauen versus Selbstkritik) ein starker Erfolgsindikator für erfolgreiche Menschen ist.
Selbsteinschätzung Beispiele
Self Assessment zur beruflichen Orientierung
Nehmen wir das Beispiel eines (fiktiven) Self Assessments für angehende Auszubildende in einer Gärtnerei. Ähnlich dem obigen Beispiel könnte man die Interessenten um eine Selbsteinschätzung ihrer Eignung für diesen Job bitten:
Eine solche Selbsteinschätzung hilft weder den angehenden Gärtnern noch der Gärtnerei, die Auszubildende sucht.
Anders sieht es in diesem Beispiel aus:
Diese Form der Selbsteinschätzung bietet den Interessenten die Möglichkeit, sich auf der Basis ihrer bisherigen Erfahrungen selbst einzuschätzen und so selbst herauszufinden, ob ihre Interessen und Fähigkeiten zu den Anforderungen des Gärtnerberufs passen.
Self Assessment im Rahmen der Management-Diagnostik
Im Rahmen der Management-Diagnostik haben Self Assessments ihren festen Platz. Zum einen will man herausfinden, wie realistisch sich ein Kandidat selbst einschätzen kann, da eine starke Übereinstimmung zwischen Selbst- und Fremdeinschätzung ein wichtiges Indiz für eine realistische Selbsteinschätzung ist. Hier beispielhaft ein Ausschnitt aus einem Selbsteinschätzungsbogen:
Zum anderen kann man auch eine andere Art von Self Assessment verwenden, als sogenanntes „operantes responseoffenes Verfahren”. Das heißt, dass anders als im vorherigen Beispiel weder die Dimension („überzeugend” etc.) noch die Antwortmöglichkeiten (1 bis 5) vorgegeben sind, sondern die Kandidaten sich z. B. spontan in 20 Sätzen oder Begriffen ohne weitere Vorgaben selbst beschreiben sollen:
Diese Art von Selbsteinschätzung dient zum Einen zur Selbstreflexion, zum anderen als Basis für ein gemeinsames Gespräch im Assessment zwischen Kandidaten und Assessor, beispielsweise im Rahmen des Interviews.
Arten von Self Assessments
Self Assessment im Rahmen von Assessments zum Vergleich zwischen Selbstbild und Fremdbild
Self Assessment zur Vorbereitung auf ein Assessment, um sich die eigenen Stärken und Schwächen deutlich zu machen, z. B. das Online Self Assessment
Self Assessment als Hilfe bei der Selbstreflexion, z. B. zur Selbsteinschätzung bei der Suche nach einem Job, der den Interessen und Neigungen entspricht
Self Assessment als Grundlage für ein explorative Selbstbeschreibung, z. B. im Rahmen eines explorativen Interviews
Mehrwerte: Wozu dient die Selbsteinschätzung?
Selbstreflexion und Selbsterkenntnis, die Kenntnis der eigenen Stärken und Schwächen, sind für jeden Job die wichtigsten Voraussetzungen, um seine Leistungen zu verbessern. Denn: die eigene Person ist für viele Aufgaben das wichtigste „Handwerkszeug”. Das gilt insbesondere im Management und der Führung, denn alle gelernten Management- und Führungstechniken funktionieren nur dann, wenn sie authentisch zur eigenen Person passen.
Selbsteinschätzung für Mitarbeiter
Damit Führungskräfte in einen Entwicklungsdialog mit Mitarbeitern kommen, ist eine Selbsteinschätzung des Mitarbeiters eine gute Basis. Das kann in strukturierter Form erfolgen, indem man den Mitarbeiter bittet, sich selbst auf Basis des unternehmensspezifischen Kompetenzmodells einzuschätzen, aber auch in unstrukturierte Form („Bitte schreiben Sie einmal ihre fünf größten Stärken und ihre fünf größten Schwächen und Entwicklungsfelder auf!“).
Anschließend stellt der Vorgesetzte dann im Dialog seine Sichtweise dar und gemeinsam leitet man Entwicklungsfelder und -maßnahmen ab.
Online Self Assessments
Strukturierte Selbsteinschätzungen (z.B. an Hand eines Kompetenzmodells) werden häufig online durchgeführt. Das bietet die Möglichkeit, die Selbsteinschätzung mit den Einschätzungen andere Personen (Mitarbeiter, Vorgesetzter, Kunden) zu vergleichen (360°-Feedback).
Wenn Sie Lust und etwas Zeit haben, können Sie dieses Online Self Assessment einmal selbst ausprobieren.
Self Assessment Test in der Praxis
Wie gut Self Assessments funktionieren, hängt in der Praxis von verschiedenen Faktoren ab:
Wie gut sind die Dimensionen des Self Assessments beschrieben? Es fällt Menschen leichter, konkrete Verhaltensweisen („Ich kann gut planen und organisieren”) einzuschätzen als globale Kompetenzen („Ich bin ein guter Manager”).
Der Fähigkeit, sich selbst realistisch und differenziert zu beschreiben, also dem Grad der Selbsterkenntnis.
Der Bereitschaft, diese differenzierte Selbsteinschätzung auch mitzuteilen. Das heißt: wie ehrlich man in einem Self Assessment ist. Gerade in Auswahlsituationen (Assessment Center) neigen die meisten verständlicherweise dazu, Self Assessments „taktisch” zu beantworten (d. h. positiv, aber nicht übertrieben positiv), also aktives Impression Management zu betreiben.
Fazit
Self Assessments sind ein wichtiges Instrument der Management Diagnostik, insbesondere im Rahmen entwicklungsorientierter diagnostischer Verfahren. Der dahinter stehende psychologische Prozess der Selbstreflexionsfähigkeit ist eine wichtige Fähigkeit für Manager.