Management Appraisal

Definition und Bedeutung von Management Appraisals

Die Bezeichnungen „Management Appraisal“ und „Management Audit“ werden häufig synonym verwendet, erstere eher häufig im anglo-amerikanischen Sprachraum, letztere im deutschsprachigen Raum. Ein Management Appraisal ist ein Verfahren, das zumeist vom Vorstand oder Aufsichtsrat initiiert wird, um die Potenziale im Management zu identifizieren.

Dabei werden verschiedene psychodiagnostische Verfahren eingesetzt, fast immer ist ein Interview mit den Kandidaten und Kandidatinnen ein fester Bestandteil, darüber hinaus werden auch psychologische Tests (Persönlichkeitstests) und Fragebögen eingesetzt, seltener simulative Verfahren (Rollenspiel, Fallstudie, Vortrag).

Üblicherweise sind Appraisals Einzelverfahren, das heißt, dass jeweils ein Kandidat/Kandidatin alleine von den Beurteiler*innen/Berater*innen eingeschätzt wird.

Auswahl und Entwicklung des Top-Managements

Wie die Auswahl des Top-Managements erfolgt, wird hier (→ Executive Assessment) beschrieben. Die Entwicklung des Top-Managements ist aus verschiedenen Gründen ein schwieriges Thema:

  • Die Vorgesetzten (Vorstand oder Aufsichtsrat) erwarten von Führungskräften im Top-Management, dass diese „fertig” sind. Anders als bei Nachwuchsführungskräften oder im Middle-Management wird von Top-Managern erwartet, dass sie Ergebnisse liefern und das Unternehmen sie nicht mehr dabei unterstützen muss, ihre Führungs- und Management-Fähigkeiten zu verbessern.

  • Top-Manager erhalten wenig objektives Feedback: Kolleg*innen (Peers) und Mitarbeitende sind in der Beurteilung nicht frei von subjektiven Interessen, die Vorgesetzten von Top-Managern beurteilen die Qualität von Top-Managern überwiegend an Hand der Ergebnisse, die diese liefern.

  • Nicht zuletzt haben Top-Manager zumeist wenig Zeit zur Selbstreflexion, um die eigenen Stärken, Schwächen und Entwicklungsfelder zu erkennen.

Aus diesen Gründen führen Unternehmen häufig ein Management Appraisal durch, um ihren Führungskräften die Gelegenheit zu geben, eine individuelle Standortbestimmung vorzunehmen und daraus für sich selbst Entwicklungsfelder zu identifizieren.

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Management Diagnostik

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Die richtigen Besetzungsentscheidungen im Management treffen. Kompetenzen und Potenziale von Führungskräften erkennen. Fehlinvestitionen aufgrund von Fehlbesetzungen vermeiden.

Anlässe für ein Management Appraisal

Vorstandswechsel

Häufig will sich nach einem Vorstandswechsel der/die neue Vorstand/Vorständin rasch einen Überblick über die Potenziale im Management verschaffen.

Fusionen / M&A

Beim Kauf oder der Fusion (M&A) von Unternehmen kommt es häufig zu Doppelbesetzungen von Funktionen. Ein Appraisal soll hier die am besten geeigneten Führungskräfte für die (häufig veränderten) Rollen im fusionierten Unternehmen identifizieren.

Re-Organisation

Nach einer Umstrukturierung kommt es in der Regel ebenfalls zu veränderten Rollen im Management; ein Appraisal zeigt hier auf, welche Führungskraft für welche neue Rolle am besten geeignet ist.

Führungskräfte-Entwicklung

Wie oben beschrieben, kann ein Management Appraisal als Instrument der Führungskräfteentwicklung eingesetzt werden. Gegebenenfalls erhalten dann nur die Teilnehmenden selbst den Ergebnisbericht des Appraisals.

Konzeption / Vorbereitung

Vorbereitung auf Seiten des Unternehmens

Zuerst geht es in Gesprächen mit dem Vorstand darum, genau die Ausgangslage und die strategischen Ziele des Unternehmens zu verstehen.

Dann wird gemeinsam mit dem Auftraggeber eine Vorgehensweise festgelegt, dazu gehört auch ein Kommunikationskonzept und die Planung des Follow-ups, also wie mit Rückmeldung und Entwicklungsfeldern umgegangen wird.

Dann werden die Ziele, Inhalte, Ablauf und Follow-up des Appraisals an die Teilnehmenden kommuniziert, häufig in Form eines Kick-offs, in dem der Vorstand die Ziele erläutert und durchführende Berater*innen für Fragen der Teilnehmenden zur Verfügung stehen.

Vorbereitung für die Teilnehmenden

Als Teilnehmende*r an einem Appraisal sollte man sich über die eingesetzten Methoden und die durchführenden Personen (Berater*innen) informieren, um die Seriosität des Appraisals einschätzen zu können.

Als konkrete Vorbereitung empfehlen wir, sich den eigenen Werdegang noch einmal vor Augen zu führen, sich dabei insbesondere Erfolge, Rückschläge und wichtige Lernerfahrungen zu vergegenwärtigen.

Es kann auch hilfreich sein, sich Feedback von Mitarbeitenden, Kolleg*innen und Vorgesetzten einzuholen.

Gründe für das Scheitern von Management Appraisals

  • Ungenügende Vorbereitung. D.h. die Ziele des Appraisals wurden nicht klar definiert. In der Regel gibt es sowohl Entwicklungsziele (individuelle Förderung der Teilnehmenden) als auch Selektionsziele (welche Führungskraft ist für welche Rolle geeignet), meistens vermengen sich beide Ziele.

 

  • Unzureichende Kommunikation an die Teilnehmenden. Wichtig ist, alle teilnehmenden Führungskräfte transparent, wahrheitsgemäß, offen und umfassend über das geplante Appraisal zu informieren. Dazu gehört insbesondere, dass mögliche Konsequenzen benannt werden.

 

  • Verzicht auf Vier-Augen-Prinzip. Die Appraisals selbst sollten von mehreren Berater*innen durchgeführt werden. Mitunter führen zwei Berater*innen unabhängig jeweils ein Interview mit den Teilnehmenden, meistens wird das Interview von zwei Berater*innen zusammen geführt. So verhindert man, dass die Teilnehmenden den Eindruck bekommen, „der/die Berater*in mochte mich nicht und hat mich deshalb schlecht bewertet“ (ob das jetzt zutreffend war oder nicht, spielt dabei keine Rolle).

 

  • Einsatz unwissenschaftlicher Methoden. Häufig werden in der Durchführung von Appraisals auch Fragebogen und Tests eingesetzt. Wenn dass der Fall ist, sollten nur wissenschaftlich fundierte valide Verfahren verwendet werden. Ist das nicht der Fall, wird das Gesamtverfahren diskreditiert (bis hin dazu, dass die Ergebnisse arbeitsrechtlich anfechtbar werden).

 

  • Kein wertschätzender Umgang mit Teilnehmenden. Wenn das Interview einer Inquisition ähnelt oder Teilnehmende das Gefühl haben, von den Berater*innen vorgeführt zu werden, ist ein Appraisal zum Scheitern verurteilt.

 

  • Fehlendes Follow-up. Dazu gehört, dass Teilnehmende keine Rückmeldung zu ihrem Ergebnis erhalten oder es vom Unternehmen kein Angebot zur Unterstützung bei der persönlichen Weiterentwicklung gibt.

Projekt-Beispiel eines Management Appraisals

In dem hier beschriebenen Projektbeispiel geht es um ein IT-Unternehmen, das die 100%ige Tochter eines Dienstleistungskonzern ist.

Das IT-Unternehmen war vor 5 Jahren in eine eigene Tochtergesellschaft ausgegründet worden, um die Kundenorientierung des IT-Bereichs zu verbessern und die Kosten zu senken.

Da beides sich bisher nicht wie erwartet realisiert hat, wurde dem Unternehmen die Vorgabe gemacht, in den nächsten 5 Jahren den Anteil externer Kunden auf 30% zu erhöhen.

Dadurch sollte eine stärkere Kundenorientierung in die IT-Tochter gebracht und gleichzeitig Synergieeffekte zur Kostensenkung hergestellt werden.

Kriterien/Kompetenzmodell

Wie in jedem diagnostischen Verfahren, steht am Anfang ein genaues Verständnis der Kriterien, die eingeschätzt werden sollen. Sofern vorhanden, greift man auf Kompetenzmodelle des Unternehmens zurück.

In diesem Fall wurde in Interviews mit dem Top-Management (Vorstand) des IT-Unternehmens und des Mutterunternehmens festgestellt, dass das Kompetenzmodell (s. Abbildung) die zukünftigen Herausforderungen nur unzureichend abbildet.

In den Interviews wurden der Critical Incident identifiziert, die zukünftig für das Unternehmen relevant sind:

Zusammenstellung der Appraisal Bewertungskriterien für Führungskräfte.

Der Schwerpunkt des Appraisals lag also in den Bereichen Kundenorientierung, unternehmerisches Denken und Führung in einer Change-Situation.

Kick-off des Appraisals

Zuerst wurden die Teilnehmenden (22 Führungskräfte der IT-Tochter) in einem Kick-off-Meeting über Ziele und Inhalte des Appraisals informiert.

Der Vorstand machte deutlich, dass jede*r Teilnehmende durch das Appraisal Gelegenheit erhalten soll, seine bzw. ihre individuellen Entwicklungsfelder vor dem Hintergrund der zukünftigen Strategie des Unternehmens zu identifizieren und an ihnen zu arbeiten.

Die Berater*innen, die das Appraisal durchführen, stellten sich vor und beantworteten Fragen der Teilnehmenden.

Eingesetzte Methoden

Tests und Fragebögen

Im Vorfeld bekamen die Teilnehmenden die Gelegenheit, verschiedene psychometrische Verfahren (online) zu bearbeiten.

Interview

Das Appraisal selbst bestand aus einem ca. 4-stündigen Gespräch, das sich sowohl an der Berufsbiographie sowie an den Kompetenzen (s.o.) orientierte.

Feedback zu Tests und Fragebögen

Am Ende des Interviews erhielten die Teilnehmenden die Ergebnisse der Tests und Fragebögen ausgehändigt und erläutert.

Individueller Ergebnisbericht

Im Anschluss an das Appraisal wurde ein individueller Ergebnisbericht formuliert, den sowohl der Vorstand (Auftraggeber) wie der/die Teilnehmende als auch der/die Vorgesetzte erhielten.

Follow-Up

Vier bis sechs Wochen nach dem Appraisal fand ein Follow-up-Gespräch mit den Teilnehmenden und deren Vorgesetztem/Vorgesetzter statt; hier wurden die Ergebnisse durchgesprochen und gemeinsam ein individueller Entwicklungsplan erstellt.

Manager-Konferenz

Nach Abschluss des Appraisals wurden die Ergebnisse der Teilnehmenden in einer Konferenz mit dem Vorstand durchgesprochen.

Management-Summary

Die Eindrücke aus dem Appraisal wurden dem Top-Management präsentiert. Dabei wurden psychometrische Daten, aber auch qualitative Erkenntnisse dargestellt. Die Kandidat*innen wurden in ein Portfolio eingeordnet:

Übersichtsgrafik zu den Eindrücken aus dem Management-Summary

Kritik & Grenzen

Aussagekraft und Validität

Ein Management Appraisal ist mehr als eine Momentaufnahme. Bei fachgerechter Durchführung eines Management Appraisals hat die Tagesform nur einen geringen Einfluss auf das Ergebnis.

Mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren (Tests, Fragebögen, Simulationen – und vor allem dem Interview) streben die Berater*innen an, die gesamte Person der Führungskraft, mit ihren Stärken und Schwächen, ihrer Historie und ihrer Motivation zu verstehen.

Im Idealfall ist ein Management Appraisal wie ein gutes Coaching-Gespräch: die Teilnehmenden erhalten eine persönliche Standortbestimmung, an Hand derer sie gemeinsam mit dem/der Berater/Beraterin persönliche Entwicklungspotenziale identifizieren.

Die Validität eines professionell durchgeführten Management Appraisals ist recht hoch, wissenschaftliche Studien (auch md hat einige Validierungsstudien durchführen lassen) zeigen, dass die Treffsicherheit der Einschätzung höher ist als die aller anderen Beurteilenden (Vorgesetzte, Mitarbeitende, Peers). Von daher ist die Leistung, die ein Unternehmen damit erhält, ihren Preis wert.

Aber auch ein professionell durchgeführtes Management Appraisal hat seine Grenzen – wie bei allen diagnostischen Verfahren bleibt eine Restunschärfe.

Das liegt weniger daran, dass das Verfahren nicht valide genug ist, sondern häufig eher daran, dass das Umfeld einen starken Einfluss hat.

Selbst eine mittelmäßige Führungskraft kann im entsprechenden Umfeld (kompetente Mitarbeitende, unterstützende Vorgesetzte) erfolgreich sein – und umgekehrt.

Stress, Angst, Sorgen bei Kandidat*innen für Management Appraisals

Wenn Manager und Managerinnen zur Teilnahme an einem Management Appraisal eingeladen werden, kommen bei den Betroffenen einige Fragen auf:

  • Kann man mit den eingesetzten Verfahren meine Stärken, Schwächen und mein Potenzial wirklich erkennen?
  • Was ist, wenn dabei herauskommt, dass ich den Anforderungen nicht entspreche?
  • Wie fließen denn die ganzen Erfolge der letzten Jahre und die positiven Rückmeldungen, die ich von meinen Vorgesetzten erhalten habe, in die Bewertung ein? Ist am Ende ein Tag wichtiger als die ganzen Jahre im Unternehmen?
  • Verstehen die Beraterinnen und Berater genug von unserem Geschäft, um mich beurteilen zu können?
  • Wie werden meine Vorgesetzten reagieren, wenn sie den Bericht lesen?
  • Ist vielleicht sogar mein Job in Frage gestellt?

Diese Bedenken sind nachvollziehbar und gerechtfertigt. Für Unternehmen und Beratungsunternehmen ist es deshalb wichtig, die Ziele und Inhalte des Appraisals transparent und offen zu kommunizieren.

Loyalität

Eine häufige Frage, die Teilnehmende an einem Management Appraisal haben, ist, ob das eigene Unternehmen die persönlichen Stärken, Fähigkeiten und Entwicklungsfelder nicht bereits gut genug kennt (besonders wenn Führungskräfte schon lange im Unternehmen sind) und warum man eine externe Beratung dafür benötigt, um eingeschätzt zu werden.

Aus Sicht der Teilnehmenden ist das eine berechtigte Frage, die Loyalität des Unternehmens zur eigenen Person in Frage zu stellen.

Allerdings sind die Absichten des Unternehmens meistens durchaus wohlwollend: im Bewusstsein, dass die Einschätzung von Führungskräften einer Menge subjektiver Biases ausgesetzt sind, will man eine neutrale und objektive Einschätzung erhalten, zumeist um die Potenziale der Führungskräfte zu fördern, bzw. ihre Fähigkeiten zukünftig besser einsetzen zu können.

Fazit zu Management Appraisals

Ein Management Appraisal ist ein Verfahren, das zumeist vom Top-Management initiiert wird um die Eignung und Passung des Managements eines Unternehmens hinsichtlich der anstehenden strategischen Herausforderungen zu bewerten.

Darüber hinaus stellt es ein Instrument der Führungskräfteentwicklung dar, um den Kandidat*innen eine persönliche Standortbestimmung zu ermöglichen und daraus individuelle Entwicklungspotenziale abzuleiten.

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